Eine Brücke zwischen Stadt und Land

Eva Neugebauer, © Franziska Evers

Äpfel direkt vom Baum pflücken, Kartoffeln selbst ausgraben und die Milch direkt von der Kuh bekommen: so sieht für viele Großstädter:innen die Idealvorstellung von Landwirtschaft aus. In der Realität ist meistens der Weg zu weit, die Zeit zu knapp und die Auswahl bei einem einzelnen Bauernhof zu gering, um die stetig wachsenden Bedürfnisse zu befriedigen. Eva Neugebauer und Jule Willing haben mit ihrem Online-Hofladen Frischepost dieses Problem gelöst und bieten vielfältige regionale Lebensmittel an – die auch noch direkt vor die Haustür geliefert werden. Eva Neugebauer erzählt uns im Interview, wie die Idee zu Frischepost entstand und wie sie durch die Corona-Krise kommen.


1. Sie haben BWL studiert und schon während des Studiums die Sozialunternehmerkonferenz „Sensibility“ ins Leben gerufen, wo Sie auch Ihre Mitgründerin Jule kennengelernt haben. Wie kam es zu der Entscheidung gemeinsam Frischepost zu gründen?

Wir wollten eine Brücke zwischen Land und Stadt bauen: Jule ist auf einem landwirtschaftlichen Betrieb groß geworden. Als Tochter eines Landwirts wurde sie früh mit den Herausforderungen der Landwirtschaft konfrontiert. Insbesondere das Thema der Direktvermarktung regionaler Lebensmittel hat sie früh interessiert, denn der Fokus der Landwirte ist die Lebensmittelproduktion, nicht die Vermarktung. Nach dem Umzug in die Stadt hat sie die Seite der Verbraucher:innen kennengelernt und bemerkt - da fehlt was!

Ich hatte starkes Interesse an der Thematik Soziales Unternehmertum – und an der Kombination aus ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit. Ich bin auf dem Land aufgewachsen und habe dort immer nur gute Lebensmittel gegessen – meine Mutter hat den gesamten Montag damit verbracht, gute Lebensmittel zu besorgen, weil sie im Supermarkt nicht zufrieden war mit der Regionalität und Qualität. Später im Studium habe ich dann gemerkt, dass ich für das, was meine Mutter gemacht hat, einfach überhaupt keine Zeit hatte. Ich fragte mich, ob man dafür nicht mithilfe der Digitalisierung eine Lösung finden könnte. Dann habe ich Jule im Studium getroffen und sie hat erzählt, wie schwierig Direktvermarktung für den Landwirt ist. Die Idee zu einer Plattform war geboren, die beide Parteien miteinander verbindet, den Produzent:innen bei der Direktvermarktung hilft und den Kund:innen das mühsame Abholen der ganzen Produkte abnimmt.

2. Was unterscheidet Frischepost von anderen Lebensmittel-Boxen?

Zunächst einmal gibt es zwei Gemeinsamkeiten zu den gängigen Biokisten: hohe Qualität und Frische. Ansonsten unterscheiden wir uns stark von anderen Biokisten-Anbietern, da wir ein breites Spektrum an Produkten anbieten. Das Sortiment von Biokisten ist häufig nicht “cool” genug – Städter:innen wollen den “In-Bäcker” um die Ecke, bei dem sie sonntags 30 Minuten in der Schlange stehen, und nicht nur die klassischen Bio-Produkte aus dem Reformhaus. Unser Webauftritt ist modern, wir liefern nicht nur an einem festgelegten Tag in der Woche, unser Abo ist flexibel und vor allem bieten wir ein Vollsortiment. Bei Frischepost kann der gesamte Wocheneinkauf getätigt werden, von Drogerieprodukte, Getränken bis hin zu nachhaltig verarbeiteten und haltbaren Lebensmitteln.

3. Wie genau funktioniert Frischepost? Können Sie mir den Weg eines Apfels vom Baum zu mir auf den Tisch beschreiben?

Die Frischepost Kund:innen - das sind Privathaushalte, Kitas, Restaurants und Firmen - stellen sich im Frischepost Onlineshop ihren Warenkorb frei zusammen, z. B. die Milch aus der Molkereimanufaktur, das Brot aus der Backstube nebenan, die Äpfel vom Bauernhof außerhalb der Stadt und so weiter. Frischepost verschickt alle Bestellungen gebündelt an die Erzeuger:innen, die daraufhin alle Produkte frisch herstellen, ernten oder zubereiten und zur Frischepost liefern. Noch am selben Tag werden die Bestellungen in Mehrwegboxen verpackt und dann mit den Frischepost Elektroautos zu den Kund:innen geliefert.

4. Sie beide haben Frischepost direkt nach dem Studium gegründet. Wie haben Sie die ersten Finanzierungsrunden gemeistert?

Learning by doing, starkes Uni-Netzwerk und Leute begeistern für die Idee!

5. Zwei Frauen und Landwirtschaft: Mussten Sie viel Überzeugungsarbeit leisten, um Produzenten zu gewinnen – und falls ja, wie haben Sie überzeugt?

Die Produzenten haben schnell gemerkt,
a) wieviel Ahnung wir von dem Thema Landwirtschaft haben,
b) wie wichtig uns die Stärkung der Landwirt:innen ist,
c) wie tief wir schon drin stecken im Thema Vermarktung der Lebensmittel und
d) wie sehr es uns um die Vision von Frischepost geht.

6. Frischepost ist von Hamburg in das Rhein-Main-Gebiet, München und Berlin expandiert. Wie koordinieren Sie Ihr Franchise-System und wie finden Sie passende Partner:innen?

Für die Koordination geben unsere IT-Systeme schon sehr viel vor, was die Prozesse und Best Practices betrifft. Gleichzeitig gibt es ein digitales Handbuch, Coachings und regelmäßige Meetings.

Wir finden Partner:innen, indem wir die Stellen ausschreiben und dann nach Leuten suchen, die in ihren Regionen stark vernetzt sind – die am besten schon ein Erzeugernetzwerk mitbringen, das Unternehmergen in sich tragen, und für Frischepost antreten!

7. Viele eurer Kund:innen sind Firmen, die ihre Mitarbeitenden größtenteils in der Coronapandemie im Homeoffice beschäftigt haben. Wie sind Sie mit den ausbleibenden Bestellungen umgegangen?

Wir haben sehr schnell, innerhalb von einer Woche, aufgrund unserer flexiblen IT-Systeme, auf Privatkunden wechseln können. Wir haben dann sogar mehr Umsatz gemacht als mit den Firmenkunden!

8. Und zum Abschluss: Welche Tipps würden Sie Ihrem jüngeren Ich geben?

Einfach machen! Und dranbleiben, dranbleiben, dranbleiben – man braucht Ausdauer. Irgendwann gibt es niemanden mehr, der mehr Ahnung hat als man selbst!

Auf jeden Fall aber ein Thema wählen, das einem wirklich am Herzen liegt und woran man im tiefsten Inneren glaubt. Sonst schafft man es nicht die Achterbahnfahrt durchzuhalten.

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