„Der DGPS ist so, wie Lehrer:innen sich den Unterricht wünschen würden“

Tobias Raue, © Lennart Böwering

Seine Teams schätzen ihn als Coach auf Augenhöhe, er selbst sieht den DGPS als Triebfeder für Innovation: Lehrer Tobias Raue unterrichtet an der Kaufmännischen Schule in Rheine und begleitet seine Schüler:innen bei ihren Lernprozessen in betriebswissenschaftlichen Fächern. Seit 2012 hat er über 32 Teams beim DGPS gecoacht. Wieso er immer wieder dabei ist und was seine Schüler:innen beim DGPS lernen, verrät er uns im Interview.


1. Sie betreuen seit 2012 Teams im Wettbewerb. Wie schaffen Sie es nach so vielen Jahren jedes Jahr erneut motiviert in die nächste Spielrunde zu starten?

Natürlich motivieren mich die Erfolge der vorangegangenen Jahre: einmal Hamburger Luft geschnuppert bei der Preisverleihung – das motiviert schon im nächsten Jahr wieder dabei zu sein! Vor allem aber motivieren mich die Schüler:innen und ihre Ideen. Positiv könnte man sagen, dass man nach so vielen Jahren mit Erfahrung an den Wettbewerb rangeht, negativ könnte man sagen, dass man abgestumpft ist. Aber die Begeisterung der Schüler:innen, ihr Enthusiasmus und ihre Ideen ziehen mich jedes Mal total mit! Eigentlich sollte es umgekehrt sein, dass der Lehrer seine Begeisterung für sein Fach weitergibt. Beim DGPS ist das Gegenteil der Fall: die Schüler:innen übertragen ihre Begeisterung auf mich.

2. Während der Spielphase gibt es Höhen und Tiefen. Haben Sie ein Geheimrezept, wie Sie Ihre Schüler:innen am Ball halten?

Es gibt keinen Mechanismus, die Situationen sind immer unterschiedlich. Es gibt motivierte und unmotivierte Teams, einige müssen angetrieben, andere gebremst werden. Es gibt jedes Jahr individuelle Umstände und Bereiche, in denen ich nachsteuern muss: das Team findet keinen Unternehmenspaten oder merkt kurz vor Aufgabenabgabe, dass es keinen Markt für ihr Produkt gibt. Da bin ich als Coach jedes Mal anders gefragt, ich muss mein Netzwerk bemühen und Telefonate führen oder das Team neu motivieren oder aufbauen. Der Wettbewerb ist jedes Jahr neu und daher immer wieder eine Herausforderung, kein Jahr ist wie das andere. Die Struktur bleibt, aber man muss flexibel sein. So bleibt die Spannung erhalten!

3. Sie haben über 30 Teams beim DGPS gecoacht, also ca. 200 junge Menschen. Ähneln sich die Probleme, bei denen Sie als Lehrer besonders gefordert sind, oder sind bei jedem Team individuelle Herausforderungen zu meistern?

Man hat einen Regelrahmen und eine Struktur bei DGPS, aber die Teams bewegen sich frei und es gibt sehr viele Unterscheidungspunkte. Es gibt jedoch zwei kritische Punkte jedes Jahr: die Suche nach dem Unternehmenspaten und der Finanzplan. Die Teams knacken immer am meisten an der riesigen Excel-Tabelle des Finanzplans. Wenn das abgehandelt ist, dann läuft es bei den Schüler:innen meistens. Diese fachliche Herausforderung beim Finanzplan wird dann nur noch durch eine persönliche Herausforderung getoppt: die Ansprache und der persönliche Kontakt zum potentiellen Unternehmenspaten. Hier ist die Hemmschwelle meistens schon sehr hoch für die Schüler:innen, Kontakt per Telefon oder Mail zu den Betriebschefs aufzunehmen. Ein guter Pate ist eine fantastische Unterstützung und Inspiration für die Teams und daher sehr wichtig. Dabei haben die Pandemiesituation und Videocalls definitiv aber auch Hemmnisse abgebaut den Kontakt herzustellen.

4. Was nehmen Ihre Schüler:innen von der Teilnahme am DGPS mit?

Jahr für Jahr erlebe ich unsere Schülerinnen und Schüler als motivierte „Gründer:innen“ mit Engagement, Herzblut und vielen kreativen und marktfähigen Ideen. Die Jugendlichen entwickeln sich offensichtlich in fachlicher Hinsicht weiter. Das ist ein positiver Effekt an unserer kaufmännisch geprägten Schule. Richtig Freude habe ich aber an den außerfachlichen Kompetenzentwicklungen:

Selbstverständlich kommt es zu positiven Effekten in den Bereichen Selbst- und Teamverantwortung, Präsentation, Kommunikation (mit Dritten), Selbstsicherheit und Projektarbeit. Viele erstaunlicher aber sind die weiten Sprünge im Bereich der Schülerpersönlichkeiten. Hier reflektieren die Teammitglieder selbst eine enorme Entwicklung. Die verschiedenen Erfahrungen bei den Treffen mit den Paten, der Kontakt zu potentiellen Lieferanten und Kunden, das Auftreten auf den Kick-offs und Abschlussveranstaltungen sind ganz neue Facetten für die Schüler:innen. Hier nehmen sie ganz viel für sich und ihre Persönlichkeitsentwicklung mit. Das begeistert und motiviert mich Jahr für Jahr.

5. Welcher war Ihr schönster Moment beim DGPS – und warum?

Ich würde lügen, wenn mir nicht sofort die Augenblicke im letzten Jahr einfallen würden, als ich mit SaniC den Bundessieg feiern durfte. Das war schon toll.

Aber darüber hinaus verbinde ich auch ganz stille, private Momente in verschiedenen Gesprächen und Kontakten mit dem DGPS. So einen stillen Moment erlebe ich z. B., wenn sich am Ende der After-Aftershow-Party bei der bundesweiten Preisverleihung in Hamburg die aufgehende Sonne in der Fassade der Elbphilharmonie spiegelt während der Reste der Partymeute glücksbeseelt im Hafen Richtung Hotel trottet.

6. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Wertschätzung ist in unserem Job ein rares Gut und gemeinsam mit vielen anderen engagierten, wunderbaren Pädagog:innen kämpfen wir gegen das zumeist negativ aufgeladene Image der Lehrerschaft in der Öffentlichkeit.

Den Preis nehme ich also in erster Linie stellvertretend für alle Kolleginnen und Kollegen entgegen, die sich jedes Jahr motiviert und mit viel zusätzlich investierter Zeit und Kraft als Coaches der Sache DGPS verschreiben. Liebe Kolleginnen und Kollegen – das ist auch Ihr Preis.

Aber ganz persönlich grüße ich mit einem Augenzwinkern und dem Preis in der Hand alle meine ehemaligen Teammitglieder, die mir diese Auszeichnung in den letzten Jahren so sehr wünschten.

7. Wenn Sie eine interessierte Lehrkraft als Coach für den DGPS gewinnen wollen würden, wie sähe Ihre Überzeugungsstrategie aus?

Um andere Kolleg:innen zu überzeugen würde ich die Schüler:innen für mich sprechen lassen. Wenn Pädagogen sehen, wie die Schüler:innen sich entwickelt haben und wie positiv sie über den Wettbewerb sprechen – welche Lehrer oder welche Lehrerin würde das nicht gerne über sein oder ihr Fach hören. Innovation ist die Triebfeder des Wettbewerbs, da finde ich mich wieder!

In einem Satz würde ich meinen Kolleg:innen sagen:

Wenn du eine Möglichkeit suchst, schülerorientiert mit Teamstrukturen auf Augenhöhe und partnerschaftlich zu arbeiten, ohne den Druck von Klausuren und Curriculum, wenn du es liebst, offen und projektorientiert und mit klarer Zielsetzung mit deinen Schüler:innen etwas zu erschaffen, du deine Lehrerrolle als Lernbegleiter verstehst und du dir zutraust, den Schüler:innen die notwendigen Freiheiten zu geben und sie an der einen und anderen Stelle lenken möchtest, dann ist der DGPS genau dein Ding!

Oder kurz: Der DGPS ist so, wie Lehrer:innen sich den Unterricht wünschen würden.

8. Welche Tipps würden Sie Ihrem jüngeren Ich geben?

Chill mal deine Base! Das wäre sehr gut, wenn das mein jüngeres Ich mal hören würde.

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