Klimaschutz als Basis für neue Ideen - Interview mit Anna-Beeke Gretemeier
Kein Grad weiter! Der DGPS-Initiator stern setzt ein Zeichen im Kampf gegen die Klimakrise und kollaborierte für eine Ausgabe mit Fridays for Future. stern-Chefredakteurin Anna-Beeke Gretemeier erzählt uns, wie es zu der Kooperation kam und was sie aus der Zusammenarbeit mitgenommen hat.
Wie ist die Kooperation mit Fridays for Future entstanden?
Die Medienberichterstattung zu Beginn dieses Jahres war durch Corona geprägt. Aus verständlichen Gründen drängten die Informationen über das neue Virus alle anderen Themen in den Hintergrund. So auch den Klimawandel. Wir in der STERN-Redaktion fanden, dass es Zeit war, die Klimakrise jetzt wieder ganz oben auf die Agenda zu setzen – auf unsere, und auf die politische. Es brauchte einen Wumms, um das Thema zurück ins Bewusstsein der Menschen zu holen. FFF erschien uns dafür als idealer Partner, denn die Bewegung hat es wie keine andere in den vergangenen Jahren geschafft, eine breite Öffentlichkeit für den Klimawandel zu schaffen. Also haben wir sie gefragt, ob sie Lust auf eine Zusammenarbeit mit uns haben. Die Antwort kam schnell und lautete: ja klar!
Die Mitglieder von Fridays for Future sind sehr junge Menschen. Welche Erfahrungen aus der Zusammenarbeit haben Sie mitgenommen?
Der Austausch mit den Mitgliedern der Bewegung war für uns in mehrfacher Hinsicht wertvoll gewesen. Es handelt sich hier um die Bewegung einer Generation, die die Folgen des Klimawandels selbst spüren wird. Ihre Sorgen um die eigene Zukunft war während unserer gesamten Zusammenarbeit spürbar, wir haben gemerkt: Die nehmen das sehr ernst, sind extrem gut und fundiert informiert und stecken in ihr Anliegen ganz viel Energie, weil es sie unmittelbar betrifft. Außerdem konnten wir deren Medienkritik schon während der Arbeit am Heft verinnerlichen und berücksichtigen – nicht erst nach Fertigstellung unserer Geschichten. Wir haben über Sprachgebrauch diskutiert, sie haben uns für Formulierungen sensibilisiert: „Den Planeten retten“ zum Beispiel ist so eine schnell verwendete Floskel, die nicht beschreibt, worum es wirklich geht. Der Planet braucht unsere Rettung nicht, der wird weiter existieren, egal wie blöd wir uns als Spezies anstellen. Wir, die Menschen, und alle anderen Arten auf der Erde müssen beschützt und gerettet werden.
Beeindruckt hat mich auch, welchen Anspruch FFF an die eigene Kommunikation hat: Da sollten zu gleichen Teilen männliche und weibliche Protagonisten zu Wort kommen, divers sollte das Heft sein, eine geschlechtsneutrale Sprache benutzen usw. – ein sehr bereichernder und erfrischender Austausch.
Gruner+Jahr positioniert sich mit der Kollaboration im stern zum Thema Klimakrise.
Welche Reaktionen auf die Kooperation haben Sie am meisten überrascht?
Wir haben sehr viele Zuschriften von Leserinnen und Lesern erhalten. Zuspruch hatten wir schon erwartet, aber das, was dann tatsächlich kam, war schon immens. Viele sympathisieren mit FFF, sind dankbar für deren Engagement und haben uns zu der Zusammenarbeit gratuliert. Wir wurden auch kritisiert, von einem journalistischen Tabubruch war die Rede. Ein Vorwurf, den wir entkräften können, denn das Heft entstand unter Einhaltung aller journalistischen Standards, es beruht auf Recherche, jegliche verwendete Fakten halten der Verifikation stand. Bei aller Aufmerksamkeit hat uns vor allem gefreut, dass diese den Scheinwerfer auf die Klimakrise gerichtet hat.
Im Zuge der Kollaboration wurden alle Social-Media-Kanäle des stern von Fridays for Future in einem Take-Over übernommen.
Welche Tipps zum Thema Kommunikationsstrategie haben Sie für die DGPS-Teams?
Bei einer Aktion wie mit FFF ist immer im Vornherein zu klären: Was ist das Ziel? Worum geht es uns mit dieser Aktion? Wie transportieren wir unser Anliegen in einer Kernbotschaft? Und wen wollen wir damit erreichen? Anhand der Auswahl der Zielgruppe, entscheiden wir dann, welche Plattformen und Kanäle wir bespielen: Wo erreichen wir wen, und welche Form der Interaktion gibt es bei dem jeweiligen Kanal? Dementsprechend werden die Inhalte je nach Zielgruppe aufbereitet.
Wir wollten am Tag der Übernahme unserer Social-Media-Kanäle durch FFF eine möglichst große Reichweite erzielen. Um unseren Fans sofort zu zeigen, hier passiert heute etwas Besonderes, haben wir die typische STERN-Optik unserer Kanäle für die Aktion geändert, haben ein neues Teaserbild hochgeladen, andere Farben eingesetzt und ein gemeinsames Logo verwendet.
Um Reichweite zu bekommen, ist es außerdem hilfreich, Influencer ins Team zu holen, die eine ähnliche Meinung und Haltung vertreten und das Ganze als Multiplikatoren unterstützen, indem sie die Inhalte teilen oder gar ein eigenes Statement abgeben.
Denken Sie, dass junge Gründerinnen und Gründer das Thema Nachhaltigkeit bei jeder Idee mitdenken sollten?
Der Erhalt unserer Umwelt und ein stabiles Klima sind Voraussetzung dafür, dass wir in Zukunft überhaupt noch neue Ideen erdenken und (uneingeschränkt) umsetzen können. Wenn wir jetzt anfangen, zu handeln, grundlegend umzudenken und unser Wirtschaften zu verändern, werden wir die Krise noch abwenden können. Die Schonung unserer Ressourcen sollte also immer eine Rolle spielen, bei jeder Neugründung natürlicherweise mitgedacht und der Nachhaltigkeitsaspekt von vornherein selbstverständlich integriert werden.
Einen Blick nach vorne: Durch die Kooperation mit Fridays for Future legt der stern einen starken Fokus auf das Thema Nachhaltigkeit.
Werden noch weitere Themenschwerpunkte folgen?
Mit dem Klimaheft haben wir ein Versprechen abgegeben: die Klimakrise zu einem unserer Prio-Themen zu machen und regelmäßig darüber zu berichten – bis sich etwas nachhaltig verändert. Der STERN hat sich schon immer mit Leidenschaft eingemischt und für die gute Sache eingesetzt. Henri Nannen hat bei den Ost-West-Verträgen mitgemischt, mit dem Titel „Wir haben abgetrieben” haben wir den Paragraphen 218 mit verändert, wir setzen uns seit zwanzig Jahren mit diversen Projekten gegen Rechtsextremismus und Rassismus ein und vieles mehr. Das werden wir auch weiterhin mit vollster Kraft tun.